Homeschooling in Pandemiezeiten – Fortsetzung (Teil 5)

Der vorerst letzter Teil unserer Serie von Erfahrungsberichten zum Thema „Homeschooling“ bzw. Fernunterricht in Pandemiezeiten.

Für Sie vielleicht auch interessant die Ergebnisse unserer Umfrage im Kollegium und bei den Schüler*innen und Auszubildenden zu diesem Thema.

Aktuell läuft bis zum 15. Juli 2020 noch eine Umfrage bei den Ausbildungsbetrieben und wir freuen uns Ihnen die Auswertung im August präsentieren zu können.

Und nun zu unseren letzten zwei Berichten…

Alexander Maier, Lehrer für Betriebswirtschaftliche Prozesse (BP) im 1. und 3. Ausbildungsjahr der Fachinformatiker, IT-Systemelektroniker und IT-Assistenten 

Auf Grundlage unserer bestehenden IT Infrastruktur, konnte schnell ein Fernunterricht eingerichtet werden. 

Dabei unterstützt die Software „Microsoft Teams“ in idealer Weise, um mit den Schülern in Kontakt zu bleiben und ihre Lernerfolge sicherzustellen. Zudem konnte festgestellt werden, dass bisher unauffällige Schüler hervorragend mitarbeiten und den Onlineunterricht aktiv mitgestalten. Themen werden nicht nur hingenommen sondern auch auf hohem Niveau diskutiert. 

 

Chris Deutschländer, Lehrer für Betriebswirtschaftliche Prozesse in FA- und FS-Klassen 

Erfahrungsbericht E-Learning  

16.3.: Die Nachricht der Schulleitung, dass ich auch an diesem Tag schon zu Hause bleiben kann erreicht mich erst in der U-Bahn. Ich bin aber fast schon in Britz. Also Abschied nehmen. Für wie lange – keiner weiß es. Am OSZ herrscht hektisches Treiben. So viele Lehrer*innen waren wahrscheinlich selten gleichzeitig auf dem Flur. Ich packe ein paar Sachen ein, die ich „schon immer mal“ erledigen wollte. Auf dem Flur treffe ich den Kollegen, der meinen Schülern Programmieren beibringt. Er weist mich darauf hin, dass die aktuelle Klasse schon einen Audio-Chat eingerichtet hat, auf dem sofort online unterrichtet werden kann. Wow! 
Den Kollegen werde ich viele Woche nicht sehen, er begegnet mir nun regelmäßig unter seinem Nicknamen als Heiliger Drachenimperator beim Online-Unterricht.  


Nun aber schnell zurück nach Hause. Dort bereite ich mein Notebook vor. Online-Unterricht entsteht vom Küchentisch aus. Ich melde mich beim Audio-Chat an, die Gruppe erwartet mich schon mit vielen Hinweisen. Ich befolge alle gleichzeitig, nach ein paar Minuten können sie mich auch hören, da ich das Mikro von Guitar Hero gefunden habe, mit dem mein ältester Sohn vor ein paar Jahren seine Musiker-Karriere vorbereiten wollte. 
Der erste Unterricht läuft so, wie ich ihn für die Schule geplant habe. Meine Erfahrung: Wenn man sich schon ein paar mal live gesehen hat, kann man gern auf Video-Chats verzichten.  

17.3.: Alles läuft. Für die Projektarbeiten ziehen sich die Schüler in einzelne Gruppen-Kanäle zurück. Ich setze mich überall mal dazu, wie in der Schule. Nur, dass hier manchmal mein Kommen nicht sofort bemerkt wird. So richtig peinlich wird die Situation dann zwar nicht, aber ich vermeide das in Zukunft, indem ich mit einem lauten „Hallo“ in die separaten Gruppen platze.  

18.3.: Mein Freund Gunnar, Journalist, will mich damit beeindrucken, dass er jetzt auf einen angesagten Audio-Chat eine Art Radiosendung moderiert. Beeindruckt mich nicht, mache ich jetzt quasi täglich. 

Die erste Woche läuft ziemlich unproblematisch, da meine Frau regelmäßig ins Büro muss und die Lehrer*innen meines Sohnes noch das Internet suchen. So habe ich Küchentisch und Laptop noch für mich allein. Später gibt es eine ordentliche Rangelei um das Gerät. Leider kann ich auch keinen Laptop erwerben, denn überraschenderweise dürfen in Berlin Baumärkte und Buchläden weiter öffnen, nicht aber Computerläden. 

23.3.: Die nächste Fernlernwoche beginnt. Die neue Klasse hat den Chat perfekt für den Unterricht eingerichtet. Alle Schüler arbeiten während des Unterrichts mit ihren Klarnamen. Nur bei direkten Nachrichten an mich erfahre ich, wie sich sonst gern nennen. Das war in der Vorwoche noch anders, da habe ich noch regelmäßig Comic-Figuren oder anonyme Buddhas und Alpakas unterrichtet.  

30.3.: Dritte Online-Woche. Die nächste Klasse ist auch voll dabei, die Teilnehmerzahlen steigen von 80 bis auf 95 Prozent. Ich kann nun auch geteilten Bildschirmen folgen, wenn auch nur auf dem Mobiltelefon. Mehr und mehr bestehen die Diskussionen aus einer Mischung von mündlicher und schriftlicher Kommunikation, d.h. ich rede und die Antworten werden in den Chat geschrieben. Eigentlich eine gute Sache. Können jene, die nicht dabei waren, es später nachlesen. 

3.4: Inzwischen laufen auch permanent Besprechungen per Video-Chat mit den Kolleg*innen. Es geht um die neue Ausbildungsordnung. Ein Kollege hat mich und einen weiteren Kollegen für den Vormittag zu einer kleinen Runde eingeladen. Als ich zu der vereinbarten Zeit im Video-Chat erscheine, sehe ich fremde Gesichter. Eines gehört Martin aus Hamburg. Ein anderes einer Frau aus Hannover. Ich überlege, ob mich mein Kollege in eine Art Tinder für Berufsschullehrer einschleusen will. Verabschiede mich dann von meinen neuen Bekannten und gehe ins Bad. Als ich vom Duschen zurückkomme, höre ich erneut Stimmen aus der Küche. Eine andere Frau aus Hannover. Sie schaut etwas irritiert. Vielleicht liegt das an dem Wattestab, der noch aus meinem Ohr ragt. Ich versuche die Situation mit besonders freundlichem Small-Talk zu retten und lege danach endgültig auf. Mein Kollege ruft auf dem Handy an und teilt mir mit, dass sein Mikro nicht erkannt wird und der dritte Kollege gar keins hat. Ich nehme das so hin, denn schließlich sind die beiden die IT-ler und außerdem beginnen jetzt die Ferien. 

4.4. – 19.4. Die Osterferien sind wie Homeschooling ohne Schüler.  

20.4. Als ob ich nie etwas anderes gemacht habe, unterrichte ich wieder online. Mittlerweile gibt es überall Diskussionen zum Homeschooling. Ich erfahre, dass ich vieles richtig gemacht habe. Zum Beispiel habe ich keine wichtigen Daten über Server gejagt, die nicht in der EU stehen. Auch kann jeder Schüler meinem Unterricht folgen, ohne an den Chats teilzunehmen. Alle Infos gebe ich per E-Mail weiter und alle wichtigen Unterlagen liegen auf dem OSZ- Moodle-Server. Ein solcher fehlt offenbar den meisten Schulen, wie ich an den hilflosen Versuchen diverser Lehrer*innen bemerke, meinen zehnjährigen Sohn zu beschulen. Sie füllen unsere Postfächer mit Arbeitsblättern; vorzugsweise im zweistelligen MB-Bereich. 

11.5.: Nun habe ich auch wieder Präsenzunterricht. Allerdings nicht mit den Fachinformatikern. So muss ich sie jetzt manchmal zwischen zwei Schulstunden per Mobiltelefon unterrichten. Sitze also in der halbleeren Schule und höre oder lese die Beiträge der Azubis. Etwas komisch. 

12.5.: Die Sendungen meines Journalisten-Freundes Gunnar verfolgen inzwischen ca. 20 Leute live, weniger als meinen Unterricht. Er tröstet sich mit den 8000 Abonnenten des Podcasts. Wäre vielleicht auch mal einen Versuch wert, einen Unterrichts-Podcast als Download zu produzieren. 

Irgendwann Anfang Mai: Inzwischen hat auch mein zehnjähriger Sohn Video-Unterricht. Dieser begann genau in dem Moment, in dem Präsenzunterricht eigentlich wieder möglich wäre. Statt zu zweit in einem Klassenraum ist er jetzt mit seinem Lehrer zu zweit im Videochat.  

Zeit, die ersten Erfahrungen zu verallgemeinern: Noch weniger als im Präsenzunterricht geht es im Online-Unterricht um Wissensvermittlung. Während sich die Schüler*innen bei quizartigen Fragen in der Schule immerhin noch melden, um dann das Ergebnis der Google-Suche mitzuteilen, ist online der Wikipedia-Link schon im Chat, bevor man die Frage zu Ende formuliert hat. 

Erste Feedbacks ergeben, dass ca. 80 Prozent meiner Schüler*innen den Online-Unterricht als gutes Äquivalent zum Präsenzlernen erlebt haben, 20 Prozent wiederum der Meinung sind, in der Schule mehr zu lernen.
Ich glaube inzwischen, dass für uns Lehrer in Zukunft nicht der Online-Unterricht die große Herausforderung sein wird. Es wird eher wichtig, den Präsenzunterricht so zu gestalten, dass die Schüler*innen nicht den Eindruck gewinnen, dass der derselbe Lerneffekt auch online erzielt werden könne. Also quasi Fernunterricht im Klassenraum darstellt, nur mit früherem Aufstehen, langen Anfahrten, vollen Mensen, Störungen durch Mitschüler usw..   

2.6.: Inzwischen präsentieren die Schüler*innen routiniert ihre Vorträge online. Kahoots (Online-Quizze, die bei den Schülern beliebt sind und die ich irgendwann zum Bestandteil einer jeden guten Präsentation erklärt habe) funktionieren im Fernunterricht genauso gut wie in der Schule, sind online als Aufmerksamkeitstest vielleicht sogar noch wichtiger.  

17.6.: Am Nachmittag treffe ich mich mit den Kolleg*innen vom connect2company-Team in den Park zum Chillen gehen. Ein interessanter Effekt der Lockdown-Situation war, dass man mehr mit Kolleg*innen zu tun hatte, mehr mit ihnen kooperiert hat als früher. Mal sehen, wie das jetzt so wird. 

 


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